Loving out loud: Liebe statt Hass im Netz

Loving out loud? Eigentlich schreibt man in einer E-Mail, SMS oder im Chat "laughing out loud", kurz LOL, wenn man etwas besonders witzig findet. LOL. Auf dieses Akronym spielt das Motto LOVE OUT LOUD  der Internet-Konferenz re:publica an, die 2017 "den Fokus auf all jene Menschen, Organisationen und Projekte richtet, die sich gegen Hass, Gewalt und Ungerechtigkeit einsetzen und Licht in die dunklen Ecken der Gesellschaft tragen."

Liebe vs. Hass

Hetze und Fake News verbreiten sich im World Wide Web mit Höchstgeschwindigkeit. Kleine Computer-Programme geben als Meinungsroboter den richtigen Drive und es entsteht immer mehr der Eindruck, dass Hass und Lüge zumindest das Internet längst dominieren. Warum aber eigentlich das Netz den Hatern überlassen? Zeit, den Spieß endlich umzudrehen. Love out loud!

Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm erwähnte in seiner Predigt zum Buß- und Bettag 2016, dass "Soziale Medien zu asozialen Medien zu werden drohen. Nicht mehr Verständigung sei das Ziel, sondern Verurteilung, Verdammung und manchmal richtiggehender Hass." Er sprach aber auch von einer Hoffnungserfahrung, als nämlich ein Hater nach einem wüsten Kommentar zur Umkehr findet, sich persönlich entschuldigt und ein sachlicher Meinungsaustausch stattfinden kann. Bedford-Strohms Predigt inspirierte eine Journalistin zu einer wortwörtlichen Umkehr, zu einem Experiment.  Für einen Tag schrieb sie im Netz nur Liebeskommentare gegen den Hass: Komplimente, Dankeschöns, Besinnliches. Verzichtet auf Gegenwehr, wenn euch jemand Böses tut! (Matthäus 5,39)

Loving out loud. Lieben. Laut. Nächstenliebe. Liebe verbreiten. Liebet eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen. (Matthäus 5,44) Tu Gutes und rede darüber. Laut. Netzwerken im Auftrag der Liebe. Spread the word. Aktionen anleiern und Initiativen starten. Zum Mitmachen inspirieren. Teilen. Fake News richtigstellen. Denn nicht nur Hass und Lügen können im Netz viral werden. Empörungsenergie ins Positive umleiten. Nach den Anschlägen in Paris wurde bei Twitter via #porteouverte Hilfe für Menschen organisiert, die unterwegs waren und nicht wussten, wie sie sich in Sicherheit bringen sollten. Als die Polizei nach den Attentaten in Brüssel die Bürger dazu aufrief, keine Details zu twittern, wurde das Netz unter dem Hashtag #BrusselsLockdown mit Katzenfotos geflutet. Der Hashtag #aufdieLiebe trendete und spiegelte genau das Gefühl, das die Urheberin dieses Kürzels beschreibt: "Dieses Gefühl, dass ich den ganzen Tag Leid und Hass und Terror gesehen habe und dass ich jetzt aber genau das Gegenteil will und brauche und nicht einsehe, dass das mich und alle anderen so vergiftet. Denn das ist es ja, was der IS will: dass wir Angst haben, uns isolieren, keine Freude oder Liebe mehr für etwas empfinden." Auch in Berlin sollte Catcontent gegen Gerüchte helfen. #KatzengegenSpekulationen. Niedliche Fotos gegen die Angst und Panik. Egal ob Paris, Nizza, Brüssel, Berlin oder London, immer wieder wurde auch das Kürzel #prayfor benutzt, um sich per Hashtag mit der Netzgemeinde zu einem virtuellen Kurzgebet zusammenzufinden und der sinnlos getöteten Menschen zu gedenken.

Loving out loud. Oder auch leise. Gute Geschichten erzählen.  Auch kleine Geschichten. Auch leise. Aber davon erzählen. Die guten und wahren Geschichten gehen zu oft unter in der allgemeinen Empörung. Posten. Mit Liebesgeschichten infizieren. Die Geschichte vom Vater, der Flüchtlingen Deutschunterricht gibt und sich mit Zeichensprache und Handy-Fotos darüber austauscht, dass Heimweh mehr als ein Wort ist. Die Geschichte vom alten Nachbarn, der mit fast 80 noch lautstark Multikulti-Partys feiert und liebevoll kleine chaotische Beete im Großstadtdschungel hegt und pflegt. Dafür gibt es immer wieder viele kleine Likes als Bestätigung. Überraschend? Nein. Denn, wenn solche Geschichten erzählt werden, geben sie Hoffnung. Und auch Hoffnung ist ansteckend. Die Hoffnung nicht aufgeben. Oder, wie man so sagt, nach dem Stolpern aufstehen, Staub abklopfen, Krönchen zurechtrücken. Weitermachen. Weiterlieben. Das ist - wenn auch leicht ernüchtert - die Erkenntnis der Journalistin am Ende ihres Experiments: "Womöglich besteht die 'Hoffnungserfahrung', die [Bedford-Strohm] verspricht, einfach darin, dass man die Hoffnung, die man hat, nicht aufgibt."

Das Netz zu einem guten Ort machen

"Das Netz ist ein guter Ort, wenn wir es gemeinsam dazu machen", appellierte der Online-Stratege Johannes Korten bei der re:publica 2016. Er initiierte Hashtag-Aktionen wie #Mutmachparade, #duschefreioccupy oder #sharedichdrum und startete 2015 mit #einBuchfürKai eine Hilfskampagne für einen schwer erkrankten Schriftsteller-Freund, die nicht nur zum echten Love-Storm wurde, sondern der Familie des Erkrankten auch aus einer finanziellen Krise half. Was notwendig ist, damit Aktionen (im Netz) viral erfolgreich sind, hat Korten damals auf die Drei-I-Formel gebracht: Das erste "I" steht für Identität, nämlich Identität in der realen und in der virtuellen Welt. Denn nur wer auch im Web unterwegs ist, kann dort etwas bewegen und verbessern. (Idealerweise tritt die Identität einer Organisation übrigens hinter der eines - zu ihr gehörenden - Menschen zurück.) Das zweite "I" steht für die gute Idee. Das dritte "I" steht für Initiative, für den konkreten Impuls, den eine Idee Menschen bietet, tatsächlich aktiv zu werden.

Mit diesen 3 Buchstaben punktet auch die digital-analoge Mitmach-Aktion #machwasdraus2017 von Mission EineWelt, die gerade auf der ELKB-Fühjahrssynode gestartet wurde. Menschen (Identität) mit Ideen bekommen 10,00 Euro Start-Kapital, um mehr daraus zu machen (Initiative) und damit die Arbeit von Mission EineWelt zu unterstützen. Wenn diese Menschen im Netz unter #machwasdraus2017 (und im Idealfall auch auf der Aktions-Website) darüber berichten, können andere Menschen mit guten Geschichten "angesteckt" werden, Ideen zu bekommen, mitzumachen und Gutes zu tun. (Und die Organisation bekannter zu machen.) Eigentlich ganz einfach.

Fröhlichkeit im Social Web

Eine bewusst sinnfreie aber gerade deshalb sehr ansteckende Mitmach-Aktion fand letztes Jahr parallell zu den Olympischen Spielen statt. Die Herbergsmütter, als Kultur-Netzwerkerinnen im Social Web gut vernetzt, ärgerten sich über die strikten Social-Media-Vorgaben des Olympischen Komitees und starteten pünktlich zur Eröffnung der offiziellen Spiele auf Twitter die #pantwitterspiele, um dem "bösen" Internet eine Prise anarchischen Witz und Poesie zurückzugeben. Mit ihrer Non-Profit-Aktion inklusive Eröffnungszeremonie, absurden Disziplinen von Rumkugeln bis Wattebauschkunsstapeln, viel persönlichem Lob und spannenden Pokalverleihungen animierten sie die Netzgemeinde zum Mitmachen und Spaßhaben. Immer mehr (Privat-)Menschen und Einrichtungen beteiligten sich und stachelten sich gegenseitig zu Hochleistungen an. (Und auch die Autorin dieses Beitrags nahm mit großem Vergnügen an den sportlichen Aktivitäten teil.) "Wirklich viel zu lachen gab es in den letzten Wochen und Monaten selten. Gerade Twitter wird beherrscht von Eilmeldungen und Nachrichten über Unglücke, Tod und Verzweiflung – im Kleinen wie im Großen. Das Weltgeschehen zu verfolgen, sich zu engagieren und Menschen in Not zu helfen ist das Eine. Hierfür sind Social Media in der Tat sehr gut geeignet, auch wenn man manchmal den Glauben an die Menschheit und an das Gute zu verlieren droht. Das Schlimme und Schöne im Leben findet aber oft gleichzeitig statt. Daher ist es uns ein Anliegen, mit #pantwitterspiele etwas Fröhlichkeit ins Social Web zu bringen. Wer zusammen lacht und sich Albernheiten zugesteht, verzweifelt vielleicht seltener. Was in den wenigen Tagen seit dem Beginn unserer Intervention bereits an menschlicher Wärme durchs Web strömte, macht uns einfach froh. Menschen sind freundlich miteinander, freuen sich über Ausbrüche von Heiterkeit und Unsinn und preisen wohlwollend die Einfälle anderer. Das tut einfach gut und gibt positive Energie. Die hilft wiederum sehr, mit der dunklen Seite der Welt zurechtzukommen. Wenn man außerdem sieht, was für bemerkenswerte und einzigartige Umsetzungen auf unsere Aufgaben folgen, steht erstmal staunend da. Auch so sind Menschen: einfallsreich, lustig, freundlich, hilfsbereit."

Oder wie sagte es Joachim Ringelnatz? Humor ist der Knopf, der verhindert, daß uns der Kragen platzt!

Linktipps

Vor einigen Jahren rief der Pfarrer Heiko Kuschel im Netz dazu auf, an einem Tag "unverhoffte Freundlichkeit und sinnlose Schönheit zu üben" ("Practice random kindness and senseless acts of beauty“), einfach um zu sehen, um wie viel schöner wir die Welt an nur einem Tag machen können. Auf einer eigens dafür eingerichteten Facebook-Veranstaltungs-Seite konnten die vielen unverhofft Freundlichen ihre Geschichten erzählen. Das mit der unverhofften Freundlichkeit könnte man doch einfach mal wieder ausprobieren? Im Netz. Im "echten" Leben. Immer wieder. Täglich.

Nachtrag 29. März 2017, 14.00 Uhr: Wie spontan und unverhofft Freundlichkeit im Netz organisiert werden kann, zeigt dass der 11. April als #TagderunverhofftenFreundlichkeit für 2017 kurz nach Veröffentlichung dieser Netzmarginalie reaktiviert wurde. Hier geht es zu den Info und zur Anmeldung. Macht mit und folgt Heiko Kuschel​s Einladung frei nach dem Motto „Practice random kindness and senseless acts of beauty": Übt unverhoffte Freundlichkeit und sinnlose Schönheit. Und postet, twittert, instagramt und flauscht unter dem Hashtag #TagderunverhofftenFreundlichkeit Eure Erlebnisse, Gedanken, Ideen, Bilder. Und macht das Netz ein wenig schöner und freundlicher.

Dazu passend auch der Beitrag e-feind.de auf e-wie-evangelisch.de.

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Nicola Rössert

Nicola Rössert arbeitet seit Juli 2011 als Projektmanagerin bei Vernetzte Kirche. Neben diversen kommunikativen und administrativen Aufgaben ist sie vor allem für die Kinderseite kirche-entdecken.de sowie die weite Welt der Social Media zuständig und berät das Kirche-Entdecken-Maskottchen @kira_elster_official in Sachen Instagram. In unserem Blog schreibt Nicola Rössert zu Themen rund um das Web 2.0. und immer wieder auch darüber, warum gute und sichere Internetangeboten für Kinder wichtig sind.